In der deutschen Sprache wird für Beine und Klauen der Begriff Fundament genutzt. Bei einem Haus verleiht das Fundament dem Konstrukt die nötige Stabilität, um eine lange Nutzungsdauer zu gewährleisten. Dasselbe gilt für die Kuh, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: Das Fundament der Kuh dient auch als Fortbewegungsmittel. Somit ist die Anforderung an die Funktionalität um ein Vielfaches höher.
JACQUES BERNARD, HAN HOPMAN
Einer, der sich mit Klauengesundheit bestens auskennt, ist Antoine Janssen. Er war selbst über 20 Jahre passionierter Milchviehhalter und Züchter in Luxemburg, bevor er sich 1997 als Klauenpfleger selbstständig machte. Seitdem hat er an zahlreichen Schulungen und Projekten teilgenommen und bildet seit fast 18 Jahren international neue Klauenpfleger aus. Gleich zu Beginn des Gesprächs wird klar, wie viel Wert Janssen darauf legt, dass Theorie und Praxis zusammengehören und wie wichtig es ihm ist, nach wie vor selbst in Betrieben zu arbeiten. „Als Ausbilder darf man den Bezug zur Praxis nie verlieren, ansonsten können wir keine qualitativ hochwertige Ausbildung anbieten“, lautet Janssens Devise. Ein weiterer bedeutsamer Punkt für ihn ist es, sich einen Überblick über die Gesamtsituation zu verschaffen.
EIN BILD MACHEN
„Wenn ich auf einen Betrieb fahre, versuche ich erst das Gesamtbild zu erfassen und danach breche ich alles von groß auf klein runter und analysiere die Umstände. Wenn ich dann einen Eindruck vom Betrieb, vom Stall, von der Herde und anschließend der einzelnen Kuh habe, kann ich mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussagen, wie die Klaue aussieht“, erklärt Janssen seine Vorgehensweise, die er auch genau so weite vermittelt. Sich bei der Klauenpflege nur auf Schneiden und Behandeln zu fokussieren, wäre zu kurzsichtig, da es sich bei der Klauengesundheit um ein multifaktorielles Thema handelt. Jede Kuh wird vor dem Klauenschnitt bewertet, im Fokus stehen dabei Alter, Gewicht, Körperkondition, Beinwinkel und -stellung sowie die Umdreherposition. Diese Merkmale erklären die Bewegung der Kuh, die Verlagerung des Gewichts und die Abnutzung der Klaue. „Im Hinterbeinwinkel ist die fünf in der linearen Beschreibung das Optimum für den Abrieb der Klaue. Jede Abweichung führt dazu, dass das Gewicht der Kuh nicht optimal auf die gesamte Klaue verlagert wird. Vor allem steile Beine nehmen in den Betrieben rasant zu, was zur Folge hat, dass die Klauenspitzen übermäßig belastet werden. Ein weiteres Thema ist die Brustbreite, die Holsteins sind heute oft zu schmal und haben verdrehte Vorderbeine, deshalb nutzen sich die Klauen nicht richtig ab und das Leben innerhalb der Klaue verlagert sich“, warnt Janssen. Genetik ist aber dabei nur ein Teil des Ganzen und in der Praxis kann er feststellen, dass Kühe mit einer schlechten genetischen Veranlagung für Fundamente in Betrieben mit gutem Management trotzdem sehr gut zurechtkommen. Die komplette Klauengesundheit steht und fällt mit dem Management, so lautet das Zwischenfazit.
„Klauengesundheit steht und fällt mit dem Management.“
PRIORITÄTEN RICHTIG SETZEN
Management ist ein komplexer Begriff, der Haltung, Fütterung, Wasser, Komfort und Hygiene umfasst. Laut Janssen haben gut gemanagte Betriebe aber eines gemeinsam: Sie setzen ihre Prioritäten richtig und haben den Willen, sich weiterzuentwickeln. „Organisation und Dokumentation ist sowohl für die Betriebe als auch für uns Klauenpfleger wichtig. Durch die größer werdenden Betriebe machen wir weniger Herdenschnitte besuchen die Betriebe dafür aber regelmäßiger, um bestimmte Tiere abzuarbeiten. Dies erfordert mehr Planung, die Abläufe werden dabei aber für Mensch und Tier entspannter, weil die Zusammenarbeit routinierter wird“, so Janssen. Die Klauenpfleger arbeiten mit Codierungen, die den Befund an jeder einzelnen Klaue beschreiben und dokumentieren. Diese Codierung ist in 43 Ländern weltweit die gleiche und erlaubt einen besseren Austausch und Vergleich. Die häufigsten Befunde sind Klauenrehe, Klauenfäule, Mortellaro und Limax. Die Prävention ist dabei ein wichtiger Aspekt, weshalb der Locomotion Score - eine Bewertung der Bewegung der Kuh auf einer Skala von eins bis fünf - einen viel höheren Stellenwert bekommen müsste. „Neueste Erkenntnisse zeigen, dass die wenigsten Landwirte eine Kuh mit einem Locomotion Score von drei als lahm einstufen würden und diese deshalb nicht die benötigte Pflege bekommt, oftmals aber schon unter erheblichen Leistungseinbußen leidet. Wenn wir es schaffen, diese Tiere rechtzeitig zu finden und zu pflegen, dann haben wir in Zukunft viel weniger akute Lahmheiten“, ist Janssen überzeugt. Eine optimale Klauenpflege würde seiner Meinung nach wie folgt aussehen: Erstes Schneiden im Besamungsalter mit 14 bis 15 Monaten, zweites Schneiden etwa sechs Wochen vor der ersten Abkalbung und anschließend in jeder Laktation mit etwa 100 Melktagen und vor dem Trockenstellen. Problembehandlungen sollten schnellstmöglich durchgeführt werden und zwischendurch begrüßt Janssen jede Form von Klauenbad, -matten oder sonstigen Maßnahmen zur Verbesserung der Klauengesundheit, insofern sie hygienisch und regelmäßig durchgeführt werden. „Wir dürfen nicht vergessen, dass die Kuh ein Weichbodengänger ist und wir uns unter den heutigen Haltungsbedingungen viel um ihren Bewegungsapparat kümmern müssen. Außerdem müssen wir uns immer vor Augen halten, dass Klauengesundheit nicht nur eine Diskussion der Wirtschaftlichkeit, sondern auch der Ethik und des Tierwohls ist“, sagt er abschließend.
GEZIELTE PFLEGE
Das Tierwohl zu fördern ist auch die Mission von Intracare, einem der weltweit führenden Unternehmen in Punkto Klauengesundheit. „Unser Kernpunkt ist es, die Klauen in einer guten Kondition zu halten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir uns als Unternehmen deshalb auf drei Ebenen ständig verbessern: die Produktentwicklung, die Anwendungstechnologie sowie das Umweltbewusstsein“, erklärt Marc Spackler, der Technical Sales Manager von Intracare.
Die neueste Entwicklung ist ein patentiertes Konzept, der Intra Precision Sprayer, der direkt und hochpräzise auf die Klaue sprüht. Die Lasertechnik ist dabei mittlerweile so weit entwickelt, dass präzise erkannt werden kann, wo Spray aufgetragen werden muss. Die Vorteile hinsichtlich der Anwendungssauberkeit und der Verbrauchsmenge liegen auf der Hand. „Wir benötigen zukünftig nur noch etwa 10 bis 20 Prozent der Menge und stellen sicher, dass diese zu 90 Prozent an der richtigen Stelle ankommt, genau dort also, wo sie benötigt wird“, fährt Spackler fort. Der geringere Verbrauch fördert sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die Nachhaltigkeit der Betriebe. Das Spot-Spray-System wird entweder am Roboter oder am Karussell angebracht und sorgt je nach Programmierung ein- bis zweimal pro Woche für eine präventive Maßnahme zur Förderung gesunder Klauen, welche automatisch und konsequent durchgeführt wird. Anlässlich der diesjährigen Eurotier war das Spot-Spraying übrigens als Kandidat für einen Innovationspreis nominiert. Ein weiteres interessantes Produkt im Angebot ist der Intra Eco Tape. Dabei handelt es sich um einen Verband mit guten Dehn-, Klebe- und Abzieheigenschaften, das jedoch zu 95 Prozent abbaubar und damit besonders umweltfreundlich ist.
UMWELT- UND BENUTZERFREUNDLICH
Die französische Unternehmensgruppe Kersia bietet über ihr Tochterunternehmen AgroChem USA ebenfalls zahlreiche Klauenpflegeprodukte an. „Wir haben eine Vielzahl von chemischen Lösungen für landwirtschaftliche Betriebe, unter anderem für Hygiene, Futterproduktion, Euter- und Klauengesundheit. Letztere sind unter der Produktlinie Healmax® eingegliedert und bieten den Milchviehhaltern vielfältige Anwendungsmöglichkeiten“, erläutert Todd Raymond, Sales Manager bei AgroChem USA. Das Ziel der Produktlinie ist eine hohe Wirksamkeit kombiniert mit maximaler Umwelt- und Benutzerfreundlichkeit, um Klauenerkrankungen wie Digital Dermatitis im Griff zu haben. „Für Klauenbäder haben wir beispielsweise ein Konzentrat entwickelt ohne Formaldehyd. Das hat gleich mehrere Vorteile, erstens ist die Anwendung sicherer für Mensch und Tier, zweitens ist die Durchführung sowohl bei warmen als auch bei kalten Temperaturen effektiv. So können wir den Kunden auch eine Lösung bieten in Regionen, wo es Restriktionen oder Verbote für den Gebrauch von Produkten mit Formaldehyd gibt“, fährt Raymond fort. Um eine konsequente Durchführung des Klauenbads zu gewährleisten bietet AgroChem zudem ein automatisches Dosierungssystem an. Dieses hilft dabei, menschliche Fehler zu vermeiden und sorgt dafür, dass Klauenbäder auch in stressigen Arbeitsphasen stattfinden. Die Präventionsmaßnahmen bei den laktierenden Kühen werden oft noch planmäßig eingehalten, die Rinder und Trockensteher werden jedoch aus diversen Gründen oft vernachlässigt. Deshalb hat AgroChem den Healmax® Foam entwickelt. Dieser Schaum kann einfach auf die Klauen aufgetragen werden, während die Tiere im Fressgitter fixiert sind. Das ermöglicht es den Betrieben, die Prävention in allen Gruppen durchzuführen, ohne dass dafür in jedem Stall ein Klauenbad zur Verfügung stehen muss oder die Tiere über weite Strecken umgetrieben werden müssen.