Brunsterkennung: Früher visuell, bald mit künstlicher Intelligenz?

In vielen Betrieben wird die digitale Brunstbeobachtung mittlerweile der visuellen vorgezogen.

Eine der größten Herausforderungen in der Milchrinderhaltung ist es, die Leistung und die Fruchtbarkeit im Gleichschritt zu verbessern. Neben den Bemühungen der Zuchtorganisationen, welche genetisch auf Reproduktionsmerkmale selektieren, bieten eine Vielzahl von Unternehmen Systeme an, welche die Landwirte dabei unterstützen ihre Kühe besser tragend zu bekommen. Das erste entscheidende Element ist dabei eine gute Brunsterkennung.

JACQUES BERNARD CHRISTINE MASSFELLER

Laut diversen Studien kostet eine verpasste Brunst nach dem 120. Laktationstag zwischen 60-80 Euro. Das sind erhebliche unsichtbare Kosten für die Betriebe, welche natürlich auch von Leistungsniveau und Persistenz der Herden abhängig sind. Dabei stoßen wir auch wieder auf die langjährige Diskussion, ob ein Kalb pro Kuh und Jahr das Ziel ist oder ob wir uns auf den Weg einer freiwillig verlängerten Zwischenkalbezeit und einer damit einhergehend verlängerten Laktation begeben. Unabhängig davon, welche Strategie die Milchviehhalter für ihre Betriebe auswählen, wollen sie, dass ein Großteil der Herde zu einem bestimmten Laktationstag besamt werden kann und dann auch tragend wird. Deshalb war die Brunsterkennung schon immer essenziell, diese hat sich im Laufe der Jahre aber erschwert. Ein Grund dafür ist die durchschnittliche Kuhzahl pro Betrieb und pro Arbeitskraft. Ein anderer Grund ist, dass Hochleistungskühe eine verkürzte Brunstdauer haben. Die Dauer der Hauptbrunst liegt mittlerweile zwischen acht und zwölf Stunden und hat sich in der Entwicklung der Zucht über die Jahre fast halbiert. Dies sind einige Beweggründe, warum sich immer mehr Betriebe bei der Brunsterkennung technische Unterstützung suchen.

ARBEIT REDUZIEREN

Das weltweit agierende, niederländische Hightech-Unternehmen Nedap, entwickelt seit Jahrzehnten hochwertige und innovative Hard- und Softwarelösungen. Innerhalb verschiedener Bereiche, wie zum Beispiel Gesundheitspflege oder Sicherheits- und Tierhaltungsmanagement, ist es die Mission von Nedap, die alltägliche Tätigkeit ihrer Kunden zu erleichtern. „Im Bereich der Tierhaltung ist unser Ziel die Gesundheit und Produktivität der Tiere zu maximieren, bei gleichzeitiger Reduzierung des Arbeitsaufwandes und der Ressourcen. Auf diese Weise verbessern wir das Leben von Mensch und Tier und helfen den Molkereien dabei, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern“, erklärt Bas Weustenenk, Gebietsvermarkter bei Nedap. „Mit Hilfe der automatischen Brunsterkennung reduzieren wir den Arbeitsaufwand und erhöhen gleichzeitig die Erkennungsraten. Die visuelle Beobachtung im Stall entfällt komplett und der Landwirt erhält die Benachrichtigung über die Brunst seiner Tiere unkompliziert auf seinem PC oder seinem Smartphone. Die Zeit kann somit an anderer Stelle sinnvoll genutzt werden, was wiederum die Effizienz und Effektivität der Betriebe steigert“, fährt Weustenenk fort. Das System fokussiert sich dabei auf die Aktivität der Tiere und verfolgt die Anzeichen von Brunst – wie Schnüffeln, Kinnauflegen, Aufspringen und Stehen – aller Kühe rund um die Uhr. Die Alarme für brünstige Kühe werden dabei in Echtzeit übermittelt genauso wie der optimale Besamungszeitpunkt. Dieser hilft die Trächtigkeitsraten zusätzlich zu verbessern und senkt somit die Zwischenkalbezeit genauso wie die Anzahl der benötigten Spermaportionen pro Trächtigkeit. Das Besondere an dem Konzept der Firma ist dabei, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, die Daten zu nutzen. Zum einen können die Daten über eine betriebseigene Herdenmanagementsoftware weiterverwendet werde. Die andere Möglichkeit ist es, die Technologie über einen Zweitanbieter zu nutzen, da sich die erfassten Daten nahtlos in alle wichtige Herdenmanagementsysteme weltweit einfügen lassen.

„In Zukunft wird die künstliche Intelligenz immer bedeutender beim Auswerten von Daten und bei der Lösung von Problemen.“

DREI OPTIONEN

Das schwedische Melktechnik-Unternehmen DeLaval bietet seinen Kunden drei verschiedene Möglichkeiten der Brunsterkennung an. Zum ersten ist das die einfache und langjährig etablierte Aktivitätsmessung. Daneben bietet DeLaval ein System an, das sich mit dem Verhalten der einzelnen Tiere beschäftigt, dem DeLaval Plus Behavior Analysis. Die Verhaltensänderungen sowie Bewegungen einer Kuh werden mittels künstlicher Intelligenz, dem DeLaval DeepBlue, ausgewertet. Bei einer bevorstehenden Brunst wird deren Wahrscheinlichkeit, sowie das Fenster des optimalen Besamungszeitpunkts errechnet und an den Landwirt übermittelt. „In Zukunft wird die künstliche Intelligenz immer bedeutender beim Auswerten von Daten und bei der Lösung von Problemen. Deshalb haben wir im Unternehmen ein Team aus Spezialisten gegründet, welche sich damit befassen die künstliche Intelligenz in den digitalen Service zu implementieren“, berichtet Dr. Sina Stein, Market Area Development Manager bei DeLaval. Die dritte Möglichkeit ist der DeLaval Repro, mit der Hardware Herd Navigator bei automatischen Melksystemen. Hierbei wird der Progesterongehalt in der Milch gemessen und Brunsten werden 36-48 Stunden im Voraus erkannt. Der wesentliche Vorteil dabei ist, dass auch stille Brunsten sehr deutlich erkannt werden, selbst wenn die Kuh wenig Aktivität aufweist. Außerdem können Tiere ohne Zyklus, Tiere mit Zysten oder auch Aborte frühzeitig erkannt werden. Dies führt dazu, dass insgesamt früher reagiert werden kann und somit die Anzahl an nicht tragenden Tieren innerhalb einer Herde sinkt, wodurch die Produktivität gesteigert wird. Ein weiteres Feature ist die Trächtigkeitskontrolle. „Wichtig ist beim Herd Navigator, dass die Dateneingabe im Herdenmanagementprogramm DelPro™ sorgfältig erfolgt. Denn anhand dieser Daten rechnet sich der Herd Navigator selbst aus, an welchen Tagen bei der einzelnen Kuh Messungen durchgeführt werden müssen, um den Verbrauch an Teststreifen zur Progesteronmessung zu reduzieren“, erklärt Dr. Stein. Das Programm DelPro™ bringt außerdem alle gesammelten Daten pro Tier zusammen und kann bei der Erstellung von standardisierten Arbeitsprozessen helfen, welche die Arbeitseffizienz im Betrieb verbessern.

IN DER KUH

Ein fortschrittliches Gesundheitsmanagementsystem auf Basis einer Bolus-Technologie, das ist das Konzept der Firma smaXtec, das mittlerweile den meisten Milchviehhalter bekannt sein dürfte. Der Bolus im Netzmagen liefert schnell und mit hoher Präzision Daten zur inneren Körpertemperatur, aufgenommenen Wassermenge und Trinkzyklen, Wiederkauaktivität und Aktivität. Durch Änderungen des Verhaltens der Kühe können Brunsten erkannt werden. Sobald die Hauptbrunst sicher identifiziert ist, schlägt das System ein optimales Besamungszeitfenster vor. Dadurch wissen Landwirte genau, wann die Besamung die höchsten Erfolgschancen hat, wann die Wahrscheinlichkeit abnimmt und wann eine Besamung nicht empfehlenswert ist. Dadurch werden die Besamungskosten gesenkt und die Trächtigkeitsrate erhöht. Das System identifiziert Fruchtbarkeitsstörungen, sodass der Landwirt frühzeitig Maßnahmen ergreifen und dadurch wertvolle Zeit sparen kann. Neben der Brunsterkennung erkennt smaXtec auch Abkalbungen. Etwa 15 Stunden vor dem Abkalben wird eine Benachrichtigung ausgesendet, damit sich der Milchviehhalter auf die Geburt vorbereiten kann. Somit kann das Risiko von Totgeburten, Nachgeburtsverhalten und Gebärmutterinfektionen reduziert werden, was für die Fruchtbarkeit und die Folgeträchtigkeit einen großen Vorteil darstellt. „Uns ist wichtig, dass wir dort messen, wo es am sinnvollsten ist: Im Inneren der Kuh direkt im Netzmagen. Das ermöglicht unseren Kunden, schneller ihre Ziele zu erreichen, sei es eine bessere Trächtigkeitsrate oder eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes“, schildert Stefanie Murauer, International Marketing Manager bei smaXtec. Und auch hier wird in Zukunft verstärkt darauf gesetzt, die künstliche Intelligenz mehr und mehr zu nutzen, um die Arbeit in den Betrieben zu erleichtern und gezielt zu verbessern. So hat smaXtec mit TruAdvice™ eine innovative Technologie entwickelt, die es den Landwirten ermöglicht, die volle Kraft der Daten im Betrieb nutzen zu können. Auf der Basis von Statistiken und umfangreichen Analysen von Forschungsinstituten, Tierärzten und Branchenexperten, wird TruAdvice™ ständig weiterentwickelt, um die Gesundheit und Fruchtbarkeit in den Herden weiter voranzutreiben. Aktuell liefert TruAdvice™ Krankheitsverdachtsmeldungen für Mastitis, in Kürze folgen auch weitere gängige Milchkuherkrankungen.

KOMBINATION

Bei Antonys Belle-Vue im luxemburgischen Beaufort wird sowohl mit dem Herd Navigator von DeLaval als auch mit smaXtec gearbeitet, wie uns der Betriebsleiter Nico Antony erklärt: „Ich sehe smaXtec als passende Ergänzung zum Herd Navigator. Der Herd Navigator gibt mir früh an, welche Kühe in Brunst kommen und smaXtec hilft mir dabei, den Besamungszeitpunkt noch genauer zu treffen. Der eigentliche Beweggrund smaXtec dazu zu nehmen war aber die Möglichkeit zur Überwachung während der Trockenstehphase und die ständige Temperaturmessung. Letzteres hilft vor allem bei schweren Mastitiden, zuletzt aber auch bei der Blauzungenkrankheit, schnell und effektiv zu reagieren.“

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